Zum 2. Workshop Grüne Mitte
Anregung zum Diskurs über den Artenschutz in Lichterfelde-Süd, der dort bislang
nicht stattfand.
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Aus: Mitteilung
Aktionsbündnis
Landschaftspark, 25. Juli 2014. Von GERHARD NIEBERGALL.
Die Abb. und alle Links sowie alle [...] wurden hier redaktionell hinzugefügt.
Vorbemerkung:
Der hohe naturschutzfachliche Wert der ehemaligen Parks Range und ihres unmittelbaren
Umfelds ist spätestens seit etwa 1990 durch eine Vielzahl von Gutachten nachgewiesen. Dennoch
ist die naturschutzfachliche Bedeutung dieser halboffenen sehr artenreichen Wiesen-, Weiden und
Waldlandschaft wegen ihrer isolierten randstädtischen Lage von den Naturschutzbehörden und
den Naturschutzverbänden lange Zeit nicht ausreichend wahr genommen worden. Obwohl die Natur
mit weit über 100 Arten aus der Berliner roten Liste aufwartet, die z. T.
auch in Brandenburg und selbst gesamtstaatlich als gefährdet gelten, der Große
Feuerfalter, eine prioritäre Art aus Anhang II der FFH-Richtlinie der EU und weitere
geschützte Arten nach Anhang IV dieser Richtlinie sowie nach der Vogelschutzrichtlinie der EU
hier nachgewiesen sind, übersah man diesen Lebensraum bei der Anmeldung der Berliner Natura
2000 Gebiete.
Sowohl bei dem zwischen der Groth-Gruppe und dem Bezirksamt vereinbarten Letter of
Intent als auch bei dem Abgeordnetenhausbeschluss vom 20. Februar 2014, die beide den Ausweis
eines Baugebiets von 39 Hektar zum Ziel haben, verdrängten die jeweiligen Akteure offenbar die
naturschutzfachliche Relevanz der Lichterfelder Weide- und Waldlandschaft. Der
Grundstückseigentümer Klaus Groth, der in Lichterfelde-Süd vor allem
gefühlte Natur sehen will, wies
[
am 17. April 2013]
den Weg. Der für den Umweltschutz zuständige Staatssekretär Gaebler segnete ihn mit
dem ihm bei der Verabschiedung des novellierten Berliner Naturschutzgesetzes im Mai 2013
zugeschriebenen Spruch ab, dass dieses nicht in Lichterfelde-Süd gelte
[
Quelle].
Schon im derzeit laufenden noch informellen städtebaulichen Verfahren ist das Risiko nicht
auszuschließen, dass Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung, externe Gutachter und
sonstige Experten angehalten werden, konstruktive Wege aufzuzeigen, um gesetzliche Schutzrechte von
Natur und Landschaft und wohl auch Mitwirkungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern im Sinne
des Grundstückseigentümers und von politischen Verantwortungsträgern zu
schmälern.
Artenschutz im Workshop-Verfahren
Im derzeit laufenden Workshop-Verfahren befassen sich vor allem die beiden folgenden
Arbeitspapiere mit den im Planungsgebiet vorgefundenen und nach der
FFH-Richtinie und der
Vogelschutz-Richtlinie der EU
zu schützenden Arten:
1. Im Verfahren Grüne Mitte
Verfahrensstand (Raumwiderstand: Arten), Blätter 9 und 11, ohne Datum
[Ed: created am 2.7.2014], Verf.: Fugmann/Janotta (im folgenden 1)
[PDF-Dokument],
2. im Verfahren Entwicklung eines städtebaulichen Konzepts
Zwischenbewertung, Arbeitsstand, Amphibien, Reptilien, Brutvögel, vom 4. Juli
2014, Verf.: PlanWerk.Umwelt (im folgenden 2)
[Ed: liegt derzeit nicht als PDF vor].
Arten im Verfahren
Eine Anhang II Art der FFH-Richtlinie der EU
Der
Große Feuerfalter [
Lycaena dispar] ist nach 1 nahezu im gesamten
Planungsgebiet verbreitet. Als prioritäre Art entsprechend Anhang II der FFH-Richtlinie gilt
er als Schirmart für viele weitere im gleichen Lebensraum vorhandenen Arten.
Deshalb ist sein Lebensraum prädestiniert, als Natura 2000 Gebiet geschützt zu werden.
Die Zwischenbewertung (vgl. vorstehend 2) berücksichtigt den Großen Feuerfalter
nicht.
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Eine Habitat-Störung
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April 2014 Der Abriß der ehemaligen Fabrikhalle der Firma Sosta hat begonnen.
Besondere Rücksicht auf die umgebende Natur wurde dabei nicht genommen.
Und so wurden hier lebende Zauneidechsen erheblich gestört.
[Weitere Fotos]
(Foto: 13.4.2014 nn) |
Maßnahmen, die Erhaltungsziele von Natura 2000 Gebieten erheblich beeinträchtigen
können, sind an die Voraussetzungen von Artikel 6 Abs. 3 und 4 der FFH- Richtlinie der EU
gebunden. Ob der materielle Schutzzweck dieser Vorschrift dadurch unterlaufen werden kann, dass ein
eigentlich gebotenes Schutzgebiet nicht eingerichtet wurde, darf man wohl bezweifeln. Bei
entsprechend sinngemäßer Anwendung von Art. 6 Abs. 3 und 4 dürfte man in
Anbetracht des Umfanges des in Lichterfelde- Süd geplanten Bauvorhabens kaum um eine
Verträglichkeits- Prüfung herumkommen. Zwar kann auch ein negatives Ergebnis
einer Verträglichkeits- Prüfung übergangen werden, wenn zwingende Gründe des
überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und
wirtschaftlicher Art gegeben sind. Ein wirtschaftliches Interesse eines privaten Investors
wird kaum ein öffentliches Interesse an einem Schutz von Natur und Landschaft priorisieren
können.
Ein zwingender Grund könnte hingegen ein öffentliches Interesse an einem
Neubau von Wohnungen für den Bedarf der Berliner Bevölkerung sein. Allerdings sollte eine
entsprechende Inanspruchnahme des Planungsgebiets durch eine gesamtstädtisch strukturierte
Wohnraumentwicklungsplanung unterlegt sein. Der Stadtentwicklungsplan Wohnen als
ausschließlich quantitatives Sammelsurium möglicher Wohnungsbaustandorte erfüllt
diese Anforderungen nicht. Im Übrigen erscheint zweifelhalft, ob das in Lichterfelde-Süd
mit einer Wohneigentumsquote von ca. 65 v. H. der Wohnraumversorgung einer Mehrheit der Berliner
Bevölkerung dienlich ist.
FFH-Richtlinie Anhang IV Arten
Die
Zauneidechse [
Lacerta agilis] ist nach 1 im gesamten Planungsgebiet zu finden.
Bei den Eimerfängen ist die Zauneidechse nach 2 vor allem am südlichen und östlichen
Rand der entlang der Bahntrasse von der Groth-Gruppe eigenmächtig abgemarkten künftigen
Baufläche gefunden worden. Dieser Befund bedarf der Erklärung, die hiermit versucht
wird:
1. In der Zeit der Eimerfänge befand sich die Zauneidechse im Lebenszyklus der Paarung
und Eiablage. Insofern wanderte diese Population aus ihrem Winterquartier etwa
im Bereich der ehemaligen Geisterstadt in Bereiche entlang der Bahntrasse ab, die
nach ihrer Bodenbeschaffenheit (Sand, Geröll) und aufgrund einer geringen
Verschattung für eine Eiablage besonders geeignet scheinen.
2. Die fast fehlenden Fänge weiter in Norden können damit zusammenhängen, dass durch
den zeitgleichen Abriss der beiden großen Fabrikationshallen der ehemaligen Sosta
Edelstahlröhrenfabrikation dort ein Durchzug von Zauneidechsen stark behindert worden
ist.
Die in 2 vorgeschlagene
CEF-Maßnahme zum Abfangen von Zauneidechsen im Bereich des entlang der
Bahntrasse von der Groth-Gruppe geplanten Baugebiets ist sicherlich nach dem Schlüpfen der
jungen Eidechsen sinnvoll. Zuvor wäre aber ein für alle Lebenszyklen von Zauneidechsen
unbesetztes und entsprechend vorbereitetes neues Habitat nachzuweisen. Ein entsprechendes
Monitoring müsste zudem ergeben, dass die Umsiedlung erfolgreich war, bevor in dem
geräumten Gebiet mit Bauarbeiten begonnen werden kann. Offen bliebe nach diesem Verfahren, wie
mit den in einem künftigen Baugebiet entlang Réaumurstraße/Landweg/Osdorfer
Straße behausten Zauneidechsen umgegangen werden soll. Auch diese unterliegen
grundsätzlich einem Tötungsverbot wie es die FFH-Richtlinie der EU vorsieht.
Die
Wechselkröte [
Bufo viridis] ist ebenfalls fast im gesamten Planungsgebiet
nachgewiesen (1). Wesentliches Laichgewässer soll der sogenannte Reiterpfuhl im Bereich des
Holderhofs sein. Ein weiteres potentielles Laichgewässer war mindestens bisher eine
dauerfeuchte Stelle im Südwesten des Planungsgebiets, die aber im Bereich der von der
Groth-Gruppe angestrebten Bebauung liegt. Nachdem die Beweidung mit Pferden auf Weisung der Groth-
Gruppe im Umfeld der Feuchtstelle eingestellt wurde, ist diese zu einer Wildschweinsuhle verkommen
und fällt damit als Laichgewässer aus. Offen ist auch der Status eines in einem
Gehölz am Ostrand der ehemaligen Geisterstadt versteckten und meines Wissens ganzjährig
wasserführenden Pfuhls. Ein Winterquartier der Wechselkröte befindet sich nach Anne Loba
unterhalb eines Gebäudes im Bereich des Holderhofs. Weitere Winterquartiere sind meines
Wissens nicht bekannt. Eine Verdachtsfläche könnte auf dem Betriebsgrundstück der R
+ Ralf Kykillus liegen. Das Unternehmen befasst sich bekanntlich mit
Kompostierungsarbeiten.
Die Angaben zum
Moorfrosch [
Rana arvalis] weichen in 1 und 2 deutlich voneinander ab.
Nach 1 ist der Moorfrosch weiträumig im gesamten Planungsbiet anzutreffen. Sein
Laichgewässer soll der nördliche der beiden an der Bahntrasse vorhandenen Teiche sein. In
welchem Umfange wegen des bereits genannten Hallenabrisses in diesem Jahr überhaupt
Moorfrösche dieses Laichgewässer erreichten, muss offen bleiben. Nach 2 soll der
Moorfrosch hingegen allein in der licht bewaldeten Fläche im Südwesten des Plangebietes zu
finden sein. Sein Laichgewässer soll der südliche der beiden Teiche an der Bahntrasse
sein. Die in 2 empfohlene CEF-Maßnahme für Amphibien (welche, wohin) beschränkt
sich auf ein eventuelles Baugebiet entlang der Bahntrasse. Wegen der ganz erheblichen Differenzen
zwischen 1 und 2 sollten die sicherlich vorhandenen Protokolle über die Fangaktion (wo wurde
gesucht und was wurde wann und wo gefangen) offen gelegt werden. Zum Winterquartier des Moorfroschs
ist nichts Näheres bekannt.
Die
Knoblauchkröte [
Pelobates fuscus] ist nachtaktiv und gräbt in der Regel
tagsüber ein. Insoweit ist sie möglicher Weise nicht leicht nachweisbar. Nach 1 soll die
Knoblauchkröte in zwei getrennten im Nordwesten und Südwesten des Planungsgebietes
vorkommen. Diese Flächen sind weitgehend von der Groth-Gruppe für eine Bebauung
vorgesehen. Nach 2 befindet sich der Lebensraum dieser Amphibienart mittig im Süden des
Planungsraums und damit in einer künftigen Grünen Mitte. Angaben über
Laichgewässer und Überwinterungsquartiere gibt es nicht. Ob Befunde aus der
Eimerfangaktion vorliegen, ist nicht bekannt. Die Knoblauchkröte ist damit in
Lichterfelde-Süd vom Verschwinden bedroht, bevor sichere Daten über ihren Lebensraum
vorliegen und Maßnahmen zur Bestandssicherung eingeleitet werden können.
Die Fledermausarten
Großer Abendsegler [
Nyctalus noctula],
Zwergfledermaus [
Pipistrellus pipistrellus] und
Breitflügelfledermaus
[
Eptesicus serotinus] sind nach der naturschutzfachlich-landschaftsplanerischen Untersuchung
von Becker und anderen von 2010 im Planungsraum nachgewiesen. Die Art
Braunes Langohr
[
Plecotus auritus] wird ebenfalls hier vermutet. Diese Fledermausarten nutzen das
Planungsgebiet als Jagdrevier [Ed: was damit zum Habitat dieser Säugetiere gehört, also
ebenfalls besonders streng geschützt ist].
Becker und andere hatten auch eine Reihe von Altbäumen festgestellt, die eine Eignung als
Sommerquartiere und Wochenstuben aufwiesen. Die Altbäume stehen zum Teil in dem von der
Groth-Gruppe beanspruchten Baugebiet. Ein Winterquartier befindet sich in einem sogenannten
Fledermauskeller im nahen Osdorfer Wäldchen. Ob es weitere Winterquartiere im Umfeld gibt, ist
nicht bekannt.
Für einzelne Fledermausarten wie die Zwergfledermaus und die vermutete Braunes Langohr bildet
das Untersuchungsgebiet einen wichtigen Teil ihrer Fortpflanzungs- und
Zufluchtsstätte (vgl. Naturschutz- und Landschaftsentwicklungsstudie von Fugmann/Janotta
vom Dezember 2012, Kapitel Säugetiere, Blatt 25). Veranlasst durch die Groth-Gruppe sind
2013/2014 mehrere leerstehende Gebäude im Planungsgebiet abgetragen worden. Vorherige
Untersuchungen, ob diese Baulichkeiten etwa Fortpflanzungs- und Zufluchtsstätten von
Fledermäusen waren, sind nicht bekannt. Die im Workshop-Verfahren vorgelegten Materialien
enthalten keine Angaben über Fledermausarten. Im Planungsgebiet liegende Fortpflanzungs- und
Zufluchtsstätten von Fledermäusen müssen erhalten bleiben und geschützt
werden.
Arten aus Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie
Dem Verfasser sind die folgenden Arten aus Anhang I der Vogelschutzrichtlinie der EU bekannt:
Neuntöter,
Heidelerche und
Gartenbaumläufer. Von älteren
Anwohnern wird von einem großen Bestand an
Rebhühnern im Waldgebiet im Nordosten des
Planungsgebiets berichtet, der aber offenbar ganz verschwunden ist.
Der
Neuntöter [
Lanius collurio] ist sehr zahlreich im gesamten Planungsgebiet als
Brutvogel aktiv (1). Ob die in 2 vorgeschlagene CEF-Maßnahme, durch Anpflanzen von
Dornensträuchern im Bereich einer zukünftigen Grünen Mitte ein sinnvolles
Vorhaben ist, um einen nahezu einmalig großen Bestand an Neuntötern zu erhalten,
müssen unabhängige Vogelschutzexperten beurteilen.
Die Brutreviere der
Heidelerche [
Lullula arborea] (1, 2) erscheinen durch Wohnungsbau
entlang der Osdorfer Straße gefährdet. Gleiches gilt auch für dort bestehende
Landschaftsbilder nach Anhang I der FFH-Richtlinie der EU.
Der
Gartenbaumläufer [
Certhia brachydactyla] ist wohl in nur sehr geringer Zahl im
Südwesten des Planungsgebiets anzutreffen. Ob diese Art durch die geplante Bebauung
gefährdet wird, bliebe zu untersuchen. Der Gartenbaumläufer erscheint nicht in den
Materialien, die im Workshop- Verfahren bisher vorgelegt wurden.
Schlussbemerkung:
Zweck dieser Stellungnahme soll es sein, im Aktionsbündnis aber auch im Kontakt mit
Naturschutzverbänden, Politikern und Behörden einen Diskurs anzustoßen, welche
Zukunft im Planungsgebiet vorgefundene europarechtlich streng geschützte Arten haben
sollen.
Der Verfasser ist sich des Risikos bewusst, dass es etwa von ihm übersehene Pflanzen- und
Insektenarten im Planungsgebiet gibt, die ebenfalls europarechtlich streng geschützt sind. Ein
Überblick über Arten, die nach innerstaatlichen Regularien geschützt, würde den
Rahmen dieser Stellungnahme bei weitem sprengen. Interessierten bietet aber die sehr verdienstvolle
Studie von Fugmann/Janotta vom Dezember 2012 einen sicherlich erschöpfenden
Überblick
[
PDF-Dokument].